Lebenshilfe Braunschweig
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11.05.2022

Mit Charme und Biss unterwegs in den eigenen Beruf

Robert Meyer lehnt mit seiner Lederjacke lässig an der Mauer der Dachterrasse - so hoch oben auf dem Gebäude der Lebenshilfe Braunschweig in der Fabrikstraße 1 F schweift sein Blick weit. „Solch einen Überblick hat uns auch das Angebot ‚Berufliche Orientierung‘ der Lebenshilfe Braunschweig ermöglicht“, erzählen der 19-Jährige und seine Mutter Susanne Meyer.

Was ist denkbar?

Wie kommt ein junger Mensch mit Beeinträchtigung seinem Berufswunsch nahe, was ist denkbar? Die Familie überlegte lange, recherchierte, fragte nach und verzweifelte fast. „Wir kamen von der Arbeitsagentur und waren total enttäuscht“, erzählt Robert Meyer. „Ja, ich bin in Mathe schlecht, meine rechte Seite ist gelähmt und ich bin Epileptiker. Aber das ist doch kein Grund, mich auszusortieren. Ich war so frustriert.“

Intensive Beratung

Bis Mutter und Sohn bei einem Elternabend einen Mitarbeiter der Lebenshilfe Braunschweig ansprachen und sich mit ihm verabredeten: „Er hat uns ernst genommen. Wir haben uns echt besser gefühlt und Hoffnung geschöpft.“ Robert Meyer streift sich lässig durchs Haar und noch heute wirkt bei diesem Gedanken sein Gesicht plötzlich ganz entspannt.

Loslassen und zutrauen

Robert Meyer hat die Hans-Würtz-Schule besucht, eine Förderschule für Schüler:innen, die vorrangig einen Assistenzbedarf in der körperliche und motorischen Entwicklung benötigen. Vor allem mit viel Ergotherapie hat er gelernt, seine Spastik in der rechten Hand teilweise zu kompensieren: „Ich kann einen Stift halten, schreiben, wurde zum Linkshänder und habe mir Tricks, zum Beispiel für das Öffnen einer Flasche, beigebracht.“ Außerdem sein er nun Selbstfahrer, könne also ohne assistierende Begleitung Bus und Bahn nutzen.

„In solchen Momenten müssen die Eltern loslassen können und ihrem Kind etwas zutrauen“, ist sich Susanne Meyer sicher. Mittlerweile organisiere ihr Sohn zum Beispiel auch die Nachfolgerezepte für die Ergotherapie oder informiere bei einer Krankmeldung den Arbeitgeber.

Schulabschluss und Praktikum

Robert Meyer hätte nach der Hans-Würtz-Schule gern mit Kindern gearbeitet oder sich zum „Fachpraktiker personenbezogene Dienstleistungen“ ausbilden lassen – eine dreijährige Qualifikation für Menschen mit Beeinträchtigung, die allerdings in Niedersachsen (noch) nicht möglich ist.

Dank der Vermittlung der „Beruflichen Orientierung“ durch die Lebenshilfe Braunschweig gelang es Robert jedoch, in der Berufseinstiegsklasse der Helene-Engelbrecht-Schule einen verbesserten Hauptschulabschluss zu machen. Hier wäre dann die Weiterführung in den Pflegesektor möglich gewesen. „Ein Praktikum im Seniorenzentrum In den Rosenäckern hat mir viel gebracht“, erzählt Robert. „Abends war ich zwar oft kaputt – aber es war ein guter Tag!“ Die ganze Familie habe es als positive Zeit empfunden, berichtet die Mutter. „Robert wurde selbstbewusster und ausgeglichener, er hatte einen geregelten Tagesablauf, Aufgaben, für die er verantwortlich war, und ein sehr nettes Team.“

FSJ im Kindergarten

Doch Robert möchte immer noch mit Kindern arbeiten. „Ich kann einfach gut mit ihnen umgehen, wir haben einen Draht zueinander. Ich kann mich auf die Spielebene einlassen und habe aber auch schon gelernt, Grenzen zu setzen.“

Dank seiner Nachqualifikation, mehrerer Praktika und einiger Bewerbungen ermöglicht ihm nun die Stadt Peine während eines Freiwilligen Sozialen Jahrs genau dies zu tun: in einer inklusiven Gruppe in einem Kindergarten der Lebenshilfe Peine-Burgdorf in Essinghausen. „Ich war selbst in diesem Kindergarten in einer inklusiven Gruppe – nun kann ich zu Fuß genau dorthin zu meinem Arbeitsplatz gehen“, freut sich Robert Meyer.

Perspektive eröffnen

Robert Meyer arbeitet dort ein Jahr und will sich damit eine Perspektive eröffnen. Ein weiterer großer Wunsch sei außerdem der Realschulabschluss, dafür habe er sich bereits bei der Berufsschule in Peine angemeldet. „Denn dann hätte ich noch mehr Möglichkeiten“, meint Robert Meyer. Und mit seinem charmanten Lächeln fügt er hinzu: „Ich will einen Job, der mir Spaß macht, ich will mein eigenes Geld verdienen und dann hoffentlich auch Zeit haben, um weiter Geschichten zu schreiben oder mal wieder als Schauspieler auf einer Theaterbühne zu stehen.“

Text: Elke Franzen
Fotos: Lebenhilfe_David Maurer und Elke Franzen