Lebenshilfe Braunschweig
Drucken Text vergrößern Text normalisieren Text verkleinern
29.10.2019

Besondere Menschen: zehn Jahre Wohnstätte Ziegelkamp

Bei einigen Worten hat sich so einiges geändert in zehn Jahren: statt von Integration sprechen wir von Inklusion, Menschen mit Behinderung möchten als Menschen mit Beeinträchtigung bezeichnet werden, wenn denn überhaupt (noch) solch eine Differenzierung nötig ist, und aus dem „Haus unter dem Regenbogen“ wurde die Wohnstätte Ziegelkamp… Aber wer nun auf die letzten zehn Jahre blickt, merkt eins: Die Lebenshilfe Braunschweig hat es ernst gemeint, Menschen mit einem hohen Unterstützungsbedarf einen Ort zum Leben anzubieten, mittendrin in dieser Stadt und eingebunden in ein intaktes Wohnviertel. Gefeiert haben dies mit einem kleinen Fest Angehörige, Freunde, Mitarbeitende und vor allem die Bewohnerinnen und Bewohner.

Manche, die damals einzogen, gingen, viele blieben, andere kamen dazu. „Mitarbeiter und Bewohner sind nett und der Umgang untereinander gut“, freut sich Bewohnerin Bettina Schulz. „Und jeder hat hier eine Rückzugsmöglichkeit in das eigene Zimmer, dadurch ist es schön ruhig, wenn man es möchte.“

„Die ersten Jahre waren nicht immer einfach, im Gegenteil“, fasst Elternvertreterin Angelika Detlof einige Punkte zusammen: „Eltern, die sich erstmals von ihren Kindern trennten und Mitarbeiter, für die auch alles neu war. Doch seit einigen Jahren läuft es rund im Ziegelkamp: Es bildete sich ein festes Team und eine beständige Leitung. Die Mitarbeiter werden durch Haushaltshilfen entlastet. Die Gruppe ist zu einer Familie zusammen gewachsen und es herrscht eine ruhige entspannte Atmosphäre. Man kennt einander und kann auf Bedürfnisse eingehen. Ein dicker Dank an das gesamte Team.“

2009 investierte der Verein knapp drei Millionen Euro, um Menschen mit schweren Beeinträchtigen und einem hohen Hilfebedarf ein neues Zuhause zu bieten. Mittendrin in Volkmarode, positioniert auf einem kleinen Hügel, liegt das 6000 qm² große Grundstück mit 1200 qm² bebauter Fläche. Absolut barrierefrei sind die 30 Wohnplätze als Einzelzimmer mit Zugang ins Freigelände. Für jede der zwei Wohngruppen gibt es eine offene Küche mit großem Essbereich, der zugleich als Aufenthalts- und Kommunikationsraum dient. Hinzu kommen vielfältige Spezialeinrichtungen für therapeutische Angebote und Liftersysteme in einigen Zimmern sowie den Pflegebädern.

„Eine solche Wohnstätte ist nur zu realisieren, wenn der ehrenamtliche Vorstand der Lebenshilfe, die Fachleute der Lebenshilfe, die Menschen mit Beeinträchtigung und deren Angehörige Hand in Hand zusammenarbeiten“, erklärte Detlef Springmann zur Eröffnung und hob schon damals sowohl Ausdauer wie Engagement aller Beteiligten hervor. „Wenn man so ein völlig neues Projekt startet, dann gibt es am Anfang immer Holprigkeiten, nicht jeder Wunsch kann sofort erfüllt werden, nicht jede Unterstützung sofort erfolgen. Alles muss sich einspielen und das erfordert Geduld.“ Besonderen Dank sprach er auch Mitgliedern des Vereins Libero aus, die sich rund um Anni Boschulte an den Planungen beteiligt hatten.

„Ich bin beeindruckt, wie konsequent die Lebenshilfe Braunschweig ihre Wohnangebote weiterentwickelt“, formulierte Friederike Harlfinger als damalige Bürgermeisterin der Stadt Braunschweig ihre Anerkennung. „Auch die Stadt, die unter anderem das Grundstück an die Lebenshilfe Braunschweig verkauft hat, ist sich bewusst, dass es kein vergleichbares Angebot gibt und schätzt sich glücklich, eine so engagierte und soziale Organisation wie die Lebenshilfe Braunschweig zu haben. Wir wissen auch die zielgerichtete Zusammenarbeit zu würdigen, die wir gern auf vielen Ebenen positiv begleiten.“

Alle Redner hoben schon vor zehn Jahren hervor, wie wichtig der Lebenshilfe Braunschweig die Einbindung ihrer Arbeits-und Wohnstätten ins direkte Stadtgebiet sei. „Teilhabe statt Ausgrenzung, gute Nachbarschaft statt Isolation.“ Deshalb sei Volkmarode ein optimaler Standort. Dies unterstrich auch Bezirksbürgermeister Horst Schmidt: „Die Wohnstätte ist wie eine Brücke zwischen dem alten Ortskern und dem Neubaugebiet. Sie signalisiert Selbstbewusstsein und Offenheit: Hier wird niemand versteckt, die großen Fenster ermöglichen Ein-und Ausblicke: Mitten im Leben.“

Dr. Hans-Joachim Beinroth sprach als damaliger Vorstandsvorsitzender der Lebenshilfe Braunschweig von einem Haus, das in der Region, im Land seinesgleichen suche. Ausdrücklich dankte er auch den Eltern, die viele Jahre an der Konzeption mitgearbeitet hätten, aber doch nicht mit über die Ziellinie gegangen seien. „Ich wünsche allen Eltern, dass sie mit Geduld und Toleranz loslassen. Und den neuen Bewohnern, dass sie hier ihr wohliges Zuhause finden: das beste Zuhause, das es gibt“, betonte Vorstandsvorsitzender Dr. Hans-Joachim Beinroth während des Richtfestes im Januar 2009.

Elternvertreterin Kerstin Sadeghi, von Anfang mit ihrer Tochter Lea dabei, zieht eine sehr zufriedene Bilanz: „Tolle Mitarbeiter! Ich weiß mein Kind dort liebevoll und fachlich kompetent betreut. Dadurch kann ich loslassen und werde darin auch unterstützt.“ Es sei ein großes Glück für Eltern und ihre Kinder, dass es eine so tolle Möglichkeit des Wohnens gebe: „Lea ist dort glücklich, und das macht auch mich glücklich.“

„Um eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung mit Assistenz, kompetenter Förderung, Unterstützung und Pflege in der Wohnstätte zu gewährleisten, hat die Lebenshilfe Braunschweig dort ein Team mit zur Zeit etwa 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern neu geschaffen“, erläutert Ralf Wiese, jetziger Leiter der Wohnstätte. „Es sind anspruchsvolle Arbeitsplätze – es gibt Schwerstmehrfachbehinderungen, hohen Pflegeaufwand, Verhaltensbesonderheiten und bei manchen eine 24-Stunden-Einzelbeobachtung, weil ein falsch eingestufter epileptischer Anfall schon zu einer lebensbedrohlichen Situation führt.“ Und dennoch sei er immer wieder fasziniert von der Freundlichkeit – untereinander, gegenüber Gästen, Angehörigen, Bewohnerinnen und Bewohnern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. „Es hat etwas Familiäres, trotz aller Professionalität. Und es macht Freude, positive Reaktionen zu erhalten, ganz unerwartet.“

Impressionen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter:

  • „Positive Atmosphäre zwischen Kunden, Angehörigen und Mitarbeitenden; helle Räume, Garten und ein interdisziplinäres Team.“
  • „Interessanter Arbeitsplatz; familiäre und freundliche Atmosphäre!“
  • „Der Ziegelkamp bleibt immer standhaft und löst Probleme. Die Bewohner leben gerne hier und ich arbeite gerne hier.“
  • „Bewohnerinnen und Bewohner fühlen sich wohl. Gute Zusammenarbeit mit den Angehörigen.“
  • Freiheit, sich viel bewegen können und sich zurückziehen zu können: schöne Gärtchen, viel Natur, liebevoll eingerichtete Räume und enge Beziehungen mit viel Lebensfreude.“
  • „Attraktive Wohnstätte, motiviertes Mitarbeiter-Team, pflegerisch sehr gute Arbeit und Bewohner, die sich wohl fühlen.“
  • „Durch die Beständigkeit der Bewohner kann man besondere Menschen länger auf ihrem Weg begleiten. Es ist ein sehr abwechslungsreicher, freundlicher Arbeitsplatz, der nie langweilig wird. Tolle Bewohner, tolles Team.“
  • „Du bist, wie Du bist und wirst von der ersten Minute an herzlich aufgenommen.“

Die Fotos zeigen Impressionen der letzten Jahre aus dem Ziegelkamp vom ersten Spatenstich beim Baustellenfest bis zur Erlebnisterrasse und Kuschelecke…

Text: Elke Franzen | Fotos: Elke Franzen und Ralf Wiese